Digitales Geld: Welche Optionen hat Europa?

30. Mrz 2022 Kategorie: DIGITALER EURO
Lesezeit 12 Min

Gastbeitrag in der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Dezember 2020

1 Geld und digitales Geld

Digitales Geld ist an sich nichts Neues. Die Umgestaltung von analogen Prozessen mit vielen ma‐ nuellen Bearbeitungsschritten und mehreren Systembrüchen in digitale automatisierte Abläufe nahm im volumenstarken Zahlungsverkehr bereits in den 1980er Jahren Fahrt auf. Zu den materi‐ algebundenen Formen barer (Banknoten, Münzen) und unbarer (Wechsel, Scheck) Zahlungsmittel trat das elektronisch übertragbare Giralgeld. Guthaben auf Girokonten können heute per Karte oder Überweisung, per Online-Banking oder Smartphone, mittlerweile auch in Sekunden vom Zahler zum Empfänger übertragen werden. Dieses – auch digitale – Giralgeld ist freilich nicht ge‐ meint, wenn heute von der möglichen Emission digitalen Geldes gesprochen wird. Gemeint ist eine Erweiterung zum heutigen Angebot an Geld, die gleichsam als digitale Ergänzung wie Bar‐ geld dienen kann oder die im weitesten Sinne in dezentralen blockchain-basierten Netzwerken umlaufen kann, also digital übertragbare Token.

Mit Bitcoin wurde nicht nur ein neues dezentrales Zahlungsverkehrssystem basierend auf der
„Distributed Ledger“-Technologie (DLT) entwickelt, sondern zugleich auch eine digitale Wertein‐ heit, die zur Übertragung verwendet wird, der Bitcoin. Da die Überträge oder Transaktionen innerhalb dieses Netzwerks anhand eines technischen Protokolls erfolgen, das auf kryptografi‐ schen Verfahren basiert, wird diese Art Token als „Krypto-Token“ bezeichnet.

Die DLT erlaubt die fälschungssichere Übertragung digitalisierter Werte ohne Intermediär. Po‐ tenziell bietet die DLT Vorteile durch die gemeinsame Datenhaltung, was unter anderem Abstim‐ mungsprozesse bei komplexen arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten erleichtern kann. Dadurch könnten die Transaktionskosten in der Abwicklung solcher Geschäfte deutlich sinken.

Während sich mit der Nutzung der DLT große Hoffnungen verbinden, kamen die so bereitgestell‐ ten Krypto-Token bislang nicht über eine Nischenfunktion in einigen dezentralen Netzwerken und eine Rolle als Spekulationsobjekt hinaus. Denn sie erfüllen de facto die drei Geldfunktionen – Zah‐ lungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Recheneinheit – nicht. Das liegt vor allem an der hohen Volatilität ihres Wertes gegenüber von Zentralbanken herausgegebenen Währungen oder Waren und Dienstleistungen. Hinzu kommen große Zweifel in Bezug auf die Werthaltigkeit. Krypto-Token werden praktisch ex nihilo geschaffen, sie haben keinen intrinsischen Wert. Sie repräsen‐ tieren weder ein Gebrauchs- oder Verbrauchsgut, noch haben sie einen zuverlässigen Emittenten, der für sie haftet.

Der Euro, das heißt Euro-Zentralbankgeld, hingegen wird von einer gesetzlich damit beauftragten Institution, der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken des Euroraums (Euro‐ system) herausgegeben. Der Euro ist eine Verbindlichkeit des Eurosystems mit seinen Zentralban‐ ken, darunter die Bundesbank. Euro-Zentralbankgeld gilt heute als das sicherste und zugleich wertstabilste Zahlungsmittel im Euroraum. Euro-Zentralbankgeld steht bislang in zwei Formen zur Verfügung: Als Bargeld für jedermann und als Guthaben auf einem Zentralbankkonto für Banken. Daneben gibt es Geschäftsbankengeld, denn die Banken spielen im Geldkreislauf eine entschei‐ dende Rolle. Sie bieten Einlagemöglichkeiten auf Konten an und versorgen die Wirtschaft mit Bar‐ geld, das gegen Kontoguthaben dort abgehoben werden kann.

Die Einlagen bei Geschäftsbanken sind heute der größte Teil der umlaufenden Geldmenge. Sie stellen Verbindlichkeiten der Geschäftsbanken dar, sind also Geschäftsbankengeld. Sie sind aber praktisch genauso wertstabil wie Zentralbankgeld, weil sie eins-zu-eins in Bargeld umgewandelt werden können. Für die große Mehrheit der privaten Haushalte ist es unerheblich, ob es sich um Geschäftsbankengeld oder Zentralbankgeld handelt, zumal Einlagen bis zu 100.000 Euro inner‐ halb der Europäischen Union von der Einlagensicherung gedeckt sind. Deshalb werden die meis‐ ten Zahlungen von Unternehmen und Haushalten in Geschäftsbankengeld abgewickelt, während Banken für ihre großen Übertragungen, etwa bei der Abwicklung von Wertpapiergeschäften, si‐ cheres Zentralbankgeld in der Abwicklung bevorzugen.

Durch die DLT kommen nun neue Anforderungen an das Geld als Transaktionsmittel hinzu. Damit ist es nämlich möglich, sogenannte programmierbare Zahlungen zu nutzen. Programmierbare Zahlungen sind Überträge von Geld, bei denen Zeitpunkt, Betragshöhe und/oder Art des Über‐ trags nicht ad hoc beim Zahlungsvorgang, sondern durch vorab festgelegte Bedingungen be‐ stimmt werden. Begrenzt geht das schon heute, etwa bei regelmäßigen Zahlungen per Dauerauf‐ trag; hier werden Zahlungen zu bestimmten Kalenderterminen ausgelöst. In den dezentralen Netz‐ werken lassen sich allerdings komplexe Geschäftsprozesse automatisiert durch sogenannte Smart Contracts steuern. Um das auch geldseitig zu ermöglichen, bedarf es programmierbarer Zahlun‐ gen oder programmierbaren Geldes.

Mittlerweile hat die Wirtschaft zahlreiche Anwendungsfälle für die Abwicklung von Geschäften mittels der DLT entwickelt, so dass ein Bedarf für programmierbare Zahlungen besteht. Dazu ge‐ hören z.B. (zum Beispiel) Machine-to-machine-Zahlungen, bei denen Maschinen automatisch er‐ brachte Leistungen miteinander verrechnen und begleichen, natürlich letztlich auf Rechnung ihrer Besitzer. Analog dazu werden Pay-per-use-Modelle entwickelt, die einen Kauf überflüssig machen und bei denen eine automatische Abrechnung nach Verbrauch erfolgt, zum Beispiel die Bezahlung eines Mähdreschers für die Zeit seiner Inanspruchnahme.

Die Möglichkeit zur Einbettung in programmierbare Anwendungen ist das eigentlich neue Merk‐ mal des Geldes, das in dezentralen Netzwerken genutzt werden kann. Sie erst erlaubt die Nutzung der DLT für die vollständige Abwicklung von Geschäftsprozessen. Diese Variante wird als programmierbares oder tokenisiertes Geld bezeichnet. Nur dieses kann in programmierbaren Prozessen verwendet werden, wäre also die weitergehende Innovation. Digitales Geld im Sinne einer digita‐ len Ergänzung zum Bargeld hingegen muss nicht programmierbar ausgestaltet sein.

2 Formen programmierbarer Zahlungen

Im Folgenden werden fünf Formen programmierbaren Geldes bzw. (beziehungsweise) program‐ mierbarer Zahlungen vorgestellt, um die Optionen aufzuzeigen: Erstens Krypto-Token bzw. (beziehungsweise) Stable Coins, zweitens digitales Geschäftsbankengeld, drittens Trigger-Lö‐ sungen sowie viertens und fünftens digitales Zentralbankgeld, und zwar entweder für einen be‐ grenzten Nutzerkreis oder für jedermann.

3 Krypto-Token bzw. (beziehungsweise) Stable Coins

Einige der oben beschriebenen Krypto-Token ermöglichten als erstes die Zahlungsabwicklung in dezentralisierten Netzwerken in programmierbarer Form. Angesichts der grundlegenden Pro‐ bleme in Form der Instabilität und des fehlenden intrinsischen Wertes ohne verlässliche Emittenten dürfte ihre Verwendung auch dauerhaft auf Nischenaspekte beschränkt bleiben, dabei teilweise leider auch für illegale oder illegitime Transaktionen. Um dem Manko der mangelnden Wertstabili‐ tät zu begegnen, wurden deshalb sogenannte Stable Coins geschaffen. Ihr Wert sollte unter ande‐ rem durch Bindung an eine von einer Zentralbank herausgegebene Währung und durch Hinterle‐ gung mit derselben stabilisiert werden. Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt vom konkreten Besi‐ cherungskonzept ab. Es sind mehrere Formen denkbar, wie solche Zahlungsmittel rechtlich gestal‐ tet werden können. Nach derzeitigem europäischem Recht könnte es sich beim Herausgeber eines Stable Coins um ein E-Geld-Institut handeln. Dann freilich müssten die Rückzahlungsansprüche der Nutzer garantiert sein und weitere Forderungen der E-Geld-Richtlinie erfüllt werden. Es ist ebenso denkbar, dass Stable Coins als Geldmarktfonds organisiert werden, dann unterliegen sie dem ent‐ sprechenden Wertpapierrecht und nicht zuletzt könnte das verwendete digitale Geld auch eine Verbindlichkeit für das emittierende Institut darstellen. Dann jedoch wäre der Emittent eine Bank, und es handelte sich um digitales Geschäftsbankengeld. Um die Herausgabe von Stable Coins in der Europäischen Union neu zu regeln, ist gerade eine neue Verordnung in Vorbereitung.

Digitales Geschäftsbankengeld

Geschäftsbanken könnten für ihre Kunden Geld auch in tokenisierter Form zur Verfügung stellen. Rechtlich hätten die Kunden wie heute bei ihren Kontoguthaben eine Forderung gegenüber der herausgebenden Geschäftsbank. In praktischer Hinsicht wäre ein solcher von Geschäftsbanken herausgegebener, auf die offizielle Währung lautender Token von besonderem Nutzen, wenn Zah‐ lungen mit diesem Token von allen Geschäftsbanken eines Währungsraums akzeptiert würden. Banken könnten diese neue Form von Geschäftsbankengeld im Tausch für Kontoguthaben und/oder Bargeld herausgeben.
Damit eine allgemeine Akzeptanz dieses neuen Geldtyps möglich würde, müsste sich der Ge‐ schäftsbankensektor aber auf einheitliche technische Standards verständigen und eine rechtliche Konstruktion entwickeln, die es erlaubt, die mit dem Token verbundene Forderung nicht gegen‐über einzelnen Geschäftsbanken geltend zu machen, sondern zum Beispiel gegenüber einer ge‐ meinsamen rechtlichen Einheit. Dazu wäre vermutlich die Gründung einer Zweckgesellschaft not‐ wendig.

Bei digitalem Geschäftsbankengeld könnte die Ausfallsicherheit wie heute bei jedem Kontogutha‐ ben auf bis zu 100.000 Euro begrenzt werden. Damit wäre für eine Vielzahl von Transaktionen aus Sicht der Nutzer ausreichend Sicherheit geboten. Das Risiko könnte durch häufiges untertägiges Clearing und anschließendes Begleichen der Nettoforderung in Zentralbankgeld reduziert werden. Inwieweit eine Einbeziehung in die bisherigen Clearing-Strukturen sinnvoll ist, wäre nicht zuletzt unter Kosten- und Aufsichtsgesichtspunkten zu erörtern.

Die entscheidende Herausforderung bei digitalem Geschäftsbankengeld ist der hohe Koordinati‐ onsaufwand, der damit für die Geschäftsbanken verbunden ist. Denn hier müssten Wettbewerber im Euroraum sich zu einer neuen und weitreichenden Kooperation zusammenfinden, was mögli‐ cherweise nur unter sehr hohem externen Druck vorstellbar wäre.

Trigger-Lösungen

Mit Trigger-Lösungen sind technische Brücken zwischen DLT und konventionellen Zahlungssyste‐ men gemeint. Bei einer DLT-basierten Abwicklung von Geschäften stehen im einfachsten Fall ein Asset-Token, der das digitalisierte Gut repräsentiert, und ein Geld-Token zur Verfügung. In Trigger- Lösungen wird dieser Geld-Token aber durch eine Zahlungsanweisung substituiert. Sobald alle Be‐ dingungen für den Warenübergang erfüllt sind, blockiert der Smart Contract den Asset-Token und initiiert („triggert“) eine Zahlung über den konventionellen Zahlungsverkehr. Sobald die Zahlung erfolgt ist, sendet der Betreiber des Zahlungssystems eine signierte Zahlungsbestätigung in die DLT. Daraufhin gibt der Smart Contract den Asset-Token frei, und das Geschäft ist geld- und wa‐ renseitig abgewickelt. Der Geld-Token wird also durch eine tokenisierte signierte Zahlungsbestäti‐ gung ersetzt. Die geldseitige Abwicklung des Geschäftes kann entweder in Geschäftsbankengeld oder in Zentralbankgeld erfolgen. Im ersten Fall müsste die DLT mit einem Clearinghaus der Ge‐ schäftsbanken verbunden werden, im zweiten Fall mit TARGET2 oder TIPS (Target Instant Payment Settlement).

Eine Trigger-Lösung mit Anbindung an ein Zahlungssystem der Zentralbank hätte den Vorteil, dass die bestehende Arbeitsteilung zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken praktisch unverändert bleibt. Es könnte in Zentralbankgeld zu den derzeitigen Bedingungen abgewickelt werden, ohne tokenisiertes Zentralbankgeld zu schaffen. Insbesondere müsste der Zugang zu Zentralbankgeld nicht erweitert werden. Eine solche Trigger-Lösung dürfte einige Geschäftsfälle für programmier‐ bare Zahlungen für die Real- und die Finanzwirtschaft abdecken. Nicht zuletzt sollte eine solche Trigger-Lösung relativ schnell implementierbar sein.

Digitales Zentralbankgeld

Zentralbankgeld unterscheidet sich von Geschäftsbankengeld dadurch, dass die Forderung gegen‐ über der ausfallsicheren Zentralbank besteht. Digitales Zentralbankgeld wäre neben Bargeld und Kontoguthaben von Geschäftsbanken bei der Zentralbank eine zusätzliche Form von Zentralbank‐ geld. In einer Variante würde die Zentralbank den Geschäftsbanken die offizielle Währung von der Zentralbank in tokenisierter Form anbieten, die für programmierbare Zahlungen einsetzbar wäre. In einer anderen Variante würde Zentralbankgeld als Kontoguthaben nicht nur Geschäftsbanken, sondern auch Privatpersonen und Unternehmen zur Verfügung gestellt.

Digitales Zentralbankgeld für einen begrenzten Nutzerkreis

Die auf eine begrenzte Nutzergruppe bezogene Ausgabe von digitalem Zentralbankgeld wird in der Diskussion als sogenannte Wholesale-Variante bezeichnet, die zum Beispiel bei der Abwick‐ lung von Finanzmarkttransaktionen zur Anwendung kommen könnte. Dabei geht man davon aus, dass diese Form von digitalem Zentralbankgeld nur an den heutigen Kreis von Geschäftsbanken ausgegeben würde, der in geldpolitische Geschäfte einbezogen ist. Um solches digitales Zentral‐ bankgeld darüber hinaus für DLT-basierte Anwendungen in der Wirtschaft nutzbar zu machen, könnte die Weitergabe an Unternehmen in engen Grenzen erwogen werden, wobei sicherzustel‐ len wäre, dass dies keine negativen Auswirkungen auf die Geldpolitik hätte. Ob dies als eine neue technische Form als Geschäftsbankengeld geschehen würde, das nur teilweise von Zentralbank‐ geld gedeckt ist, oder vollgedeckt als DZBG nur an bestimmte Nutzer weitergeben würde, ist offen.

Aus Zentralbanksicht hätte digitales Zentralbankgeld in der Wholesale-Variante den Vorteil, dass die Struktur des zweistufigen Bankensystems nicht grundsätzlich in Frage gestellt würde. Zu klären bliebe, in welcher Form die Banken digitales Zentralbankgeld an welche Kunden weitergeben würden. Möglicherweise könnte die Weitergabe zunächst auf solche Unternehmen begrenzt wer‐ den, die es benötigen, um damit blockchain-basierte Anwendungen friktionslos betreiben zu kön‐ nen. Inwieweit Privatpersonen digitales Zentralbankgeld benötigen werden, könnte bei fortschrei‐ tender Digitalisierung nachfragegetrieben entschieden werden.

Digitales Zentralbankgeld für jedermann

Die Diskussion im Euroraum konzentriert sich inzwischen auf digitales Zentralbankgeld in der so‐ genannten Retail-Variante, da das Eurosystem in seinem Bericht zum digitalen Euro vom 2. Okto‐ ber 2020 die Fragen aufgeworfen hat, unter welchen Umständen und in welchen denkbaren Aus‐ prägungen der Allgemeinheit digitales Zentralbankgeld angeboten werden könnte.

Die Retail-Variante wird begründet mit Szenarien, in denen Bargeld kaum noch nachgefragt wird, den Bürgerinnen und Bürgern aber weiterhin der Zugang zu ausfallsicherem Zentralbankgeld er‐ möglicht werden soll. Allerdings bekennt sich das Eurosystem weiterhin zur Ausgabe von Bargeld, solange eine Nachfrage danach existiert. Ein anderes Szenario begründet die Notwendigkeit einer europäischen Alternative zu privatwirtschaftlich angebotenen Stable Coins oder dem digitalen Zentralbankgeld anderer Zentralbanken.

Angesichts dieser Szenarien ist es wichtig, dass das Eurosystem sich analytisch, technisch und or‐ ganisatorisch mit der möglichen Emission digitalen Zentralbankgeldes befasst, um gegebenenfalls vorbereitet zu sein. Freilich darf nicht übersehen werden, dass digitales Zentralbankgeld für jeder‐ mann die weitgehendste Variante digitalen Geldes mit den mutmaßlich gravierendsten Implikatio‐ nen wäre. Im Sinne eines innovativen Vorgehens sollte auch diese Form von digitalem Geld programmierbar sein können, damit die Möglichkeiten der neuen Technologien auch vollständig genutzt werden könnten.

Parallel zu der Frage, ob und warum digitales Zentralbankgeld eingeführt werden sollte, ist zu prü‐ fen, wie es ausgestaltet werden müsste, um attraktiv für die Nutzung in allen denkbaren Situatio‐ nen des alltäglichen Zahlungsverkehrs zu sein, ohne die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors si‐ gnifikant zu beeinträchtigen und die Aktivität der Zentralbank über Gebühr, zu Lasten des Wettbe‐ werbs und Geschäftsmodells privater Anbieter, auszuweiten.

Klar ist, dass die Wertstabilität und Ausfallsicherheit einen Vorteil des Digitalen Zentralbankgeldes begründen, der es für sich genommen zu einem bevorzugten Zahlungsmittel werden ließe. Das bisherige Verhältnis zwischen öffentlichem Sektor und Privatsektor im Zahlungsverkehr würde spürbar verschoben in Richtung einer Ausweitung der Rolle der Zentralbanken. Damit einher gin‐ gen vermutlich auch größere Risiken in der Zentralbankbilanz, die entsprechend abgesichert wer‐ den müssten. Hinzu kommen Implikationen für andere Ziele, etwa für die Umsetzung der Geldpo‐ litik, für die Finanzstabilität oder, bei etwaigen Fehlfunktionen, Ausfällen oder Leistungseinschrän‐ kungen, für die Reputation der Notenbanken.

Wäre das Angebot von digitalem Zentralbankgeld unverzinst und in unbegrenzter Menge für je‐ dermann, könnte es die Geldpolitik in ihrem Einfluss stark begrenzen, insbesondere im Niedrigzin‐ sumfeld. Denn es würde die bisher auf Bargeldnutzung begrenzte Vermeidung negativer Zinsen erleichtern, weil digitales Zentralbankgeld eben digital transferiert und gehalten werden kann, so dass Transaktions- und Verwahrkosten deutlich niedriger ausfallen als beim Bargeld. Freilich sind
Nutzungsbeschränkungen für digitales Zentralbankgeld denkbar. Jedoch darf Geld auch
nicht zu komplex ausgestaltet sein, um nicht zusätzliche Friktionen und Kosten zu verursachen.

3 operative Aspekte und Ausblick

Europa steht vor großen Herausforderungen im Geldwesen. Die Digitalisierung und besonders die Entwicklung der neuen dezentralen Abwicklungstechniken ermöglichen neue Prozesse und stellen neue Anforderungen, auch an das Geld. Die Zentralbanken im Eurosystem stellen sich diesen Her‐ ausforderungen. Geld soll vor allem stabil sein. Daher bleibt der Grundauftrag für die Zentralbank so aktuell wie eh und je. Daneben hat das Eurosystem auch einen Sorgeauftrag für den Zahlungs‐ verkehr, für seine Stabilität und Effizienz. Zentralbanken sollten alles tun, damit die aus der Digita‐ lisierung resultierenden Anforderungen der Realwirtschaft, des Finanzsektors und der privaten Haushalte an das künftige Geld erfüllt werden. Neben Sicherheit, Schnelligkeit, Bequemlichkeit und vielen anderen Anforderungen an Geld tritt in besonderer Weise die Programmierbarkeit hinzu. Es wurden mehrere Optionen beschrieben.
Für den digitalen Zahlungsverkehr haben sich bereits in den vergangenen Jahren gute privatwirt‐ schaftliche Lösungen etabliert, denen allerdings häufig die europäische Reichweite fehlt. Deshalb dringen Eurosystem und EU-Kommission zurecht auf den Aufbau pan-europäischer Zahlverfahren, die allerdings auch die derzeitigen technischen Möglichkeiten, wie zum Beispiel Instant Payments, voll nutzen sollten. Spannend bleibt die weitere Entwicklung dezentraler Netzwerke, die bislang aber immer noch technisches Neuland sind, jedenfalls gemessen an den operativen Erfordernissen einer modernen Volkswirtschaft. Der Zahlungsverkehr und die Wertpapierabwicklung sind hoch‐ technische, komplexe Infrastrukturen, die höchsten Anforderungen an Ausfallsicherheit und Wi‐ derstandsfähigkeit genügen müssen.

Der Aufbau von entsprechend verlässlichen dezentralen Netzwerken in der benötigten Dimension dürfte erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.

Die Zentralbank sollte eine entscheidende Rolle beim Aufbau und Betrieb des Zahlungssystems für programmierbares Geld spielen. Bislang läuft Zentralbankgeld, abgesehen vom quantitativ weni‐ ger bedeutsamen Bargeld, ausschließlich in Zentralbanksystemen um. Sollte sich dies etwa bei der Einführung von digitalem Zentralbankgeld ändern, bestünde die Gefahr eines negativen Reputati‐ onseffektes im Falle von auftretenden Problemen in privaten Systemen. In jedem Fall wären erheb‐ liche Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten für die Zentralbank vorzusehen.

Operativ bietet sich möglicherweise das Lernen in kleinen Schritten an. Eine Trigger-Lösung ließe das bestehende Zahlungssystem unverändert, ermöglichte aber den Einsatz der DLT als Abwick‐ lungstechnik für komplexe Geschäftsfälle. Eine Wholesale-Lösung bei digitalem Zentralbankgeld hätte den Vorteil, dass das benötigte Netzwerk deutlich kleiner ausfallen könnte. Zudem handel‐ ten nur Profis mit digitalem Geld, sodass eine operative Grundkompetenz unterstellt werden könnte. Digitales Zentralbankgeld für jedermann wäre in jeder Hinsicht die weitgehendste Option, birgt damit die größten Risiken und erfordert die umfassendste und längste Vorbereitung.

Authoren

Burkhard Balz

Deutsche Bundesbank

Martin Diehl

Deutsche Bundesbank

Heike Winter

Deutsche Bundesbank

ratgeber

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